Zufallsbild - F5 f�r andere!

Warum?

Sind die Naturkonstanten gottgegeben? (aus Odenwalds Universum)
Wir existieren, weil die Naturkräfte und -konstanten unglaublich fein aufeinander abgestimmt sind. Wurde das Universum von Gott für uns maßgeschneidert oder gibt es eine natürliche Erklärung?
Die Frage zielt auf das wohl größte Rätsel unserer Existenz: Warum gibt es etwas und nicht nichts? Und: Warum sind wir, die Menschen, hier? Darüber grübeln Philosophen und Naturforscher schon seit der Antike. Endgültige Antworten haben sie natürlich nicht gefunden. Doch sie versuchen zumindest eine Annäherung mithilfe physikalischer Theorien…

Unsere Existenz verdanken wir dem unglaublich fein abgestimmten Zusammenspiel der Naturkräfte und -konstanten. Sie wurden im Augenblick des Urknalls festgelegt, seither bestimmen sie die Entwicklung des Kosmos. Ihr Zusammenwirken ließ das All so werden, wie wir es kennen. Wären sie nur geringfügig anders beschaffen, würde es völlig anders aussehen. Lebewesen, die Planeten, auf denen sie existieren, und die Sonnen, um die diese Trabanten kreisen, würde es jedenfalls nicht darin geben.

Die „starke Kraft“

Ein Beispiel liefert die „starke Kraft“. Sie hält die Atomkerne zusammen. Wäre sie nur um wenige Prozent stärker, gäbe es keinen Wasserstoff mehr im All: Alle Wasserstoffatome, die aus dem Urknall hervorgingen, wären nach kurzer Zeit zu Helium verschmolzen. Bei einem geringeren Wert hätten sich hingegen nie Atome bilden können. In beiden Fällen würde es keine Sterne geben und damit keine schwereren Elemente wie den Lebensgrundbaustein Kohlenstoff. Denn massereiche Atome werden in den Sternen aus leichteren Elementen erzeugt.

Ebenso gäbe es ohne eine präzise eingestellte elektromagnetische Kraft – sie lässt unter anderem den elektrischen Strom fließen – weder stabile Atome noch chemische Reaktionen und folglich auch kein Leben. Oder die Gravitation: Würde sie stärker wirken, wäre das Universum nach dem Urknall rasch wieder kollabiert; wäre sie schwächer, hätte sich die Materie darin zu einem dünnen Gasnebel verflüchtigt, aus dem nie Galaxien, Sterne oder Planeten hervorgehen könnten. Noch viel erstaunlicher erscheint indes der Wert der „kosmologischen Konstanten“ – jener von Albert Einstein so getauften Kraft, welche die mit dem Urknall begonnene Expansion des Universums beschleunigt. Nach den Regeln der Quantenphysik sollte sie 10 hoch 120-mal stärker sein als von den Astronomen beobachtet. Dann aber hätte sie den Kosmos auseinandergerissen – Sterne und Galaxien wären darin nie entstanden. Im Umkehrschluss muss die Feinabstimmung in Bezug auf die „kosmologische Konstante“ auf 120 Dezimalstellen genau sein.

Das Wechselspiel von 37 Naturkräften

Insgesamt sind 37 Naturkräfte und -konstanten bekannt. Wieso aber wirken sie so reibungslos zusammen, dass sie Leben hervorbringen? Womöglich, sinnierten manche Kosmologen, ist dies der Zweck des Universums. Denn mit den intelligenten Kreaturen, die es auf unserem und vermutlich noch vielen anderen Planeten beobachten, schafft es sich gleichsam ein Bewusstsein seiner selbst. Aus solchen Überlegungen heraus formulierten die Forscher das „anthropische Prinzip“. Es lautet: „Unser Universum muss so beschaffen sein, dass es die Entstehung von Beobachtern in manchen Phasen erlaubt.“

Anfangs drückte das „anthropische Prinzip“ die Hilflosigkeit der Himmelsforscher aus. Ihr Problem ist, dass sich die Konstanten nicht in tiefere Zusammenhänge einbetten lassen. Sie sind nach heutigem Wissen völlig unabhängig voneinander und können nicht aus anderen Größen hergeleitet werden, die dann wahrhaft fundamental wären. Für diesen Umstand sind zwei Erklärungen denkbar: Zum einen könnte es Kräfte geben, die der Natur innewohnen und die Feinabstimmung gezielt bewirken. Dies bedeutet jedoch letztendlich, dass ein Schöpfer die Werte der Konstanten festgelegt hat – und zwar so, dass sie Leben herbeiführen. Dieser Gedanke trieb schon Albert Einstein um. „ Was mich eigentlich interessiert, ist, ob Gott die Welt hätte anders machen können; das heißt, ob die Forderung der logischen Einfachheit überhaupt eine Freiheit lässt“, äußerte er einmal.

Die Rolle des Zufalls

Die alternative Idee ist, dass die passgenauen Werte der Konstanten einem unglaublichen Zufall entspringen. Daran wollen die Wissenschaftler aber erst recht nicht glauben. Manche versuchten, die Wahrscheinlichkeit dafür auszurechnen, etwa der berühmte britische Physiker Roger Penrose. Er errechnete eine unglaubliche Zahl: 1 : 10 hoch 10 hoch 123. Anders ausgedrückt, müsste ein Schöpfer mit sämtlichen Teilchen und Feldern im Kosmos 10 hoch 10 hoch 123 Mal würfeln, bis sich zufällig genau die Konfiguration unseres Universums ergibt. Würde diese Zahl mit Ziffern von nur der Größe eines Protons ausgeschrieben, würde sie den Durchmesser des Universums übertreffen. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zufallsgeburt unseres Alls ist also von Null kaum verschieden.

Ein Geschenk des Himmels

Für Kreationisten ist diese Rechnung ein Geschenk des Himmels. Mit ihrer Hilfe wollen sie „beweisen“, dass der Kosmos nicht durch natürliche Prozesse entstand, sondern dass Gott ihn erschaffen haben musste. Die Naturwissenschaftler kommen aber lieber ohne eine „übernatürliche Ursache“ der Entstehung des Universums aus. Inzwischen ersannen sie einen Weg, der den göttlichen Schöpfungsakt umgehen könnte. Womöglich, so ihre Überlegung, gibt es nicht nur einen Kosmos, sondern Myriaden davon, die ein übergeordnetes Multiversum bilden. Darauf weist die so genannte Stringtheorie (von englisch „string“ = Saite) hin. In diesem Ideengebäude gelten die Elementarteilchen als winzige eindimensionale Fäden, die aber heftig schwingen. Je nach Frequenz und Schwingungsmodus bilden sie die bekannten Teilchen wie Proton oder Elektron. Der Haken dabei: Für die Formeln der Theorie gibt es bis zu 10 hoch 500 verschiedene Lösungen.

Zunächst ließ diese ungeheure Zahl die Forscher verzweifeln. Mit einer solchen Fülle möglicher Lösungen, dachten sie, könne die Theorie unser All niemals zutreffend und eindeutig beschreiben. Später aber erkannten sie, dass genau diese Vielfalt aus dem „anthropischen Dilemma“ herausführen könnte – nämlich dann, wenn jede Lösung einen eigenen Kosmos beschreibt. Jeder davon besäße jeweils andere Eigenschaften. Festgelegt würden sie durch Naturkonstanten, die in jedem Universum anders ausfallen. Tatsächlich bringt jede Version der Stringtheorie andere Teilchen und Kräfte hervor.

Ein unendliches Netz verzweigter Universen

So könnte es Kosmen geben, die von strukturlosem Gas erfüllt sind, andere dagegen von dichten Ballungen exotischer Teilchen. Einige kollabierten unmittelbar nach ihrer Entstehung, manche haben nur zwei Dimensionen oder mehr als drei. In dieser Landschaft der Universen gibt es nur wenige, in denen lebensfreundliche Konstanten realisiert sind. Dazu zählt unseres, und womöglich ist es sogar das einzige. Das „anthropische Prinzip“ wäre damit erfüllt, weil wir nur hier, in dem für uns maßgeschneiderten All, auftauchen können und sonst nirgends. Einige dieser fremden Räume könnten sogar von Lebensformen bevölkert sein, von denen wir nicht einmal träumen können. Sie könnten beispielsweise aus magnetisch zusammengehaltenen Plasmawolken oder noch exotischeren Gebilden bestehen. Das Multiversum könnte aus einem unendlichen Netz verzweigter Universen bestehen, die unentwegt durch quantenphysikalische Prozesse auseinander hervorgehen, oder aus Kosmen, die beim Kollaps von Riesensternen zu schwarzen Löchern werden (siehe die Kolumne „Gibt es Paralleluniversen“ vom 5. 1. 2007).

Die Frage, warum wir hier sind, wäre damit beantwortet: Das Universum hat uns gewissermaßen eingeladen und für unseren Auftritt die Bühne bereitet. Die wohl noch wichtigere Frage, warum es überhaupt etwas gibt, bleibt aber offen. Träfe die Idee mit einer unendlichen Abfolge von Kosmen zu, die sich fortpflanzen, würde das Problem nur zurückgereicht in einen Urkosmos – oder in die Ewigkeit. „Wenn ich wüsste, warum das Universum entstand“, schrieb er einmal, „würde ich alles wirklich wichtige wissen.“

Keine Kommentare

Noch keine Kommentare...

Auf geht's, einfach das Formular ausfüllen.

Hinterlasse einen Kommentar